Publikation

Kulturlandschaft, Landnutzungswandel und Vielfalt

AutorIn

Poschlod P

Veröffentlichung
2014
Quelle
Zur Website
Beschreibung

Was ist Kulturlandschaft? Das Wort „Kultur“ ist aus dem „lat. cultūra ‘Pflege (des Ackers), Bearbeitung, Bestellung, Anbau, Landbau’, auch ‘geistige Pflege, Ausbildung intellektueller Fähigkeiten, (religiöse, huldigende) Verehrung’“ abgeleitet und breitete sich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts mit dem Aufschwung der Land- und Forstwirtschaft aus (DWDS 2000-2014). Aber nicht nur das Wort „Kultur“, auch der Begriff der Kulturlandschaft ist positiv belegt: „Das kulturelle Wesen Mensch formte die Natur, und zwar jeweils orientiert an seinen Bedürfnissen und existentiellen Notwendigkeiten, nach seinen gestalterischen und technischen Möglichkeiten und sich auch zwangsläufig und mehr oder minder widerwillig den natürlichen Gegebenheiten unterordnend“ (KONOLD 1996).

Die Sesshaftwerdung und die beginnende Landbewirtschaftung zu Beginn der Jungsteinzeit (Neolithikum) vor über 7000 Jahren waren dabei die treibenden Kräfte. Die ehemalige Naturlandschaft, die nur in geringem Umfang durch die mesolithischen Jäger durch Feuer und Jagd beeinflusst wurde, wurde seit dieser Zeit kontinuierlich in eine Kulturlandschaft umgewandelt (POSCHLOD 2015). Selbst die Hochgebirgsregionen werden seit der Jungsteinzeit genutzt, auch wenn die Artenzusammensetzung der alpinen Heiden und Rasen weitgehend gleich geblieben sein dürfte (POSCHLOD 2011). Durch anthropogen verursachte atmosphärische Schwefeldioxid- oder Stickstoffdepositionen wurden sogar letzte naturnahe Naturlandschaftsrelikte wie unentwässerte Moore beeinträchtigt (POSCHLOD 2015). Durch die Landbewirtschaftung entstanden aber auch immer wieder neue Lebensräume, die der Flora der Naturlandschaft, aber auch vielen im Laufe der Kulturlandschaftsentwicklung neu eingewanderten und als eingebürgert geltenden Arten ein Überleben ermöglichten. Die Entstehung neuer Offenland-Lebensräume förderte sogar die Entstehung neuer Arten (z.B. innerhalb der Gattung Rubus, WEBER 1995, zahlreiche Grünlandarten, POSCHLOD et al. 1999, POSCHLOD 2015). Nach BUTTLER & HAND (2008) kommen in Deutschland 3933 Gefäßpflanzenarten vor. 3541 Arten gelten als indigen oder alteingebürgert (Archäophyten; nach KÜHN & KLOTZ 2002 mindestens 218 Arten, wahrscheinlich sind es aber viel mehr), 392 Arten als Neubürger (Neophyten). Ein Großteil dieser Arten kommt heute ausschließlich in anthropogenen Lebensräumen bzw. Lebensräumen der Kulturlandschaft vor. Nach WINGENDER et al. (2002) sind über 60% von über 2500 bewerteten Arten zumindest mit ihrem Nebenvorkommen an landwirtschaftliche Nutzflächen oder von der Nutzung beeinflusste Flächen (Ruderalstandorte, Säume) gebunden. Allein im Grünland i.w.S. (inkl. Grasheiden oder Magerrasen) kommen etwa 40 % der betrachteten Pflanzenarten vor. Allerdings sind die historischen Wurzeln unserer Lebensräume und deren Artenvielfalt sowie die Auswirkung wesentlicher Steuerungsprozesse häufig nicht bekannt oder werden unbewusst ignoriert. Für einen nachhaltigen Schutz ist aber die Kenntnis der Entstehung und Entwicklung unserer Kulturlandschaft, ihrer Lebensräume und Artenvielfalt unabdingbar (POSCHLOD 2015). Die Entwicklungen der letzten 200 Jahre zeigen zudem, dass ein in-situ Schutz nicht immer ausreicht, um den Arten ein langfristiges Überleben zu ermöglichen. Im Folgenden sollen deshalb die Prozesse, die zur Entstehung und zur heutigen Gefährdung landwirtschaftlich genutzter Lebensräume und ihrer Artenvielfalt sowie die Möglichkeiten und Grenzen ihres Schutzes exemplarisch dargestellt werden.